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SC 100 311 2-CD-Set
Modest Mussorgski
BORIS GODUNOV
Musikalisches Volksdrama in vier Aufzügen mit einem Prolog
(nach Puschkin und Karamsin)
bearbeitet und instrumentiert von Nikolai Rimski-Korsakow
Gesamtaufnahme in russischer Sprache
CD 1 (gesamt: 75:42)
Vorspiel, Erster Akt
Zweiter Akt (1. Teil)
CD 2 (gesamt: 79:51)
Zweiter Akt (Fortsetzung)
Dritter Akt, Vierter Akt
Chor und Orchester der Staatsoper Warschau
Chordirektor: Prof. Bogdan Gola
Leitung: Robert Satanowski
Live Recording, Staatsoper Warschau 1993
Besetzung:
Boris Godunov - Anatolij Kotscherga, Baß
Feodor - Elzbieta Panko
Xenia - Izabella Klosinska
Xenias Amme (Nurse) - Krystyna Dobosz
Fürst Wassilij Iwanowitsch Schujskij - Kazimierz Pustelak
Andrej Schtschelkaloff, Geheimschreiber (Secretary) Jan Dobosz
Pimen, Chronikschreiber, Mönch (Chronicler-Monk) Jerzy Ostapiuk
Grigorij Otrep Jeff - Vitalij Taraschtschenko, Spinto-Tenor
später Dimitrij (der falsche Demetrius) genannt
Marina Mnischek - Ryszarda Racewicz
Tochter des Wojewoden von Sandomir
Rangoni, geheimer Jesuit - Ryszard Ciesla
Warlaam - Marek Wojciechowski
Missail - Piotr Czajkowski
eine Schenkwirtin (the hostess of the inn) Jadwiga Teresa Stepien
ein Blödsinniger (a simpleton) - Krystof Szmyt
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DAS WERK MUSSORGSKIS (Aus
dem umfangreichen Booklet)
Mussorgskis Werk gleicht einem Riesensteinbruch aus Noten, in dem
ein Jahrhundert, inzwischen und mit aufgekrempelten Ärmeln, herumgearbeitet
hat, dem Genie des Komponisten gerecht zu werden, das überdies
zu allem Überfluss beinahe jedermann von Anfang kannte. Viele
Talente wetzten sich an diesem Genie, das Geniale an ihm möglichst
deutlich herauszustreichen. Was indes dabei immer deutlicher wurde,
war - neben viel gutem Willen -, daß Mussorgski jedem Zugriff
immer wieder entschlüpfte.
Sein "Boris Godunov" lag da wie ein musikalischer Rohdiamant,
den man immerfort umschliff und in neue Fassungen presste, nur um
bald darauf festzustellen: weder Fassung noch Schliff reichten auch
nur annähernd an die Wirkkraft, der grandiosen Rohheit des Originals
heran. Allerdings wurde man sich wiederum nur schwer darüber
einig, wie dieses Original denn nun eigentlich aussah, unter dem Schutt
der widersprüchlichsten Fassungen verborgen.
Da gab es zum Beispiel den "Urboris" mit seinen Erweiterungen
und danach erst den "Originalboris", wobei die zweite Fassung
die erste durchaus nicht ersetzte oder ergänzte, sondern sich
unabhängig, neben der ersten behauptete. Heute, spricht man von
einer Fassung 1869, einer Fassung 1872, einer Fassung 1874, und danach
beginnt überhaupt erst die Auseinandersetzung mit der Instrumentation
durch Rimski-Korsakow , der dem Werk immerhin - wenn vielleicht auch
in falsch besohlten Schuhen - seine Weltläufigkeit verdankt,
und der Dimitri Schostakowitschs. Bei aller Gegensätzlichkeit
haben beide Instrumentalversionen immerhin das eine gemein: Man lehnt
sie inzwischen ab, alle beide.
Das würde Schostakowitsch wie Rimski-Korsakow, lebten sie noch,
zweifellos ebenso kalt lassen wie jetzt im Tode. Beide fühlten
sich nicht als Musikwissenschaftler, Forscher im musikalischen Urgestein.
Sie waren erwiesenermaßen selbst bedeutende Komponisten und
versuchten, ihrem großen, toten Kollegen Mussorgski huldigend
einen Dienst zu erweisen, ohne darüber nun gleich aus der eigenen
Haut zu fahren und sich als Künstler zu verleugnen, was sie weder
wollten noch konnten.
Was Rimski-Korsakow jedoch konnte, war dies: dem Werk seines Landsmannes,
was es zuvor nicht besaß, zu erobern - die Hochachtung, nicht
einzig der musikalischen Welt auch jenseits der russischen Grenzen,
sondern (was schließlich noch schwieriger ist) die Bühnen,
die Opernhäuser, das Publikum.
Er schmuggelte - wenn vielleicht auch in instrumentaler Verkleidung
ein Meisterwerk sondergleichen, die russische Oper schlechthin, ins
Weltrepertoire.
In dieser Rimski-Korsakowschen Fassung hat Mussorgskis "Boris
Godunov" Furore gemacht wie in keiner anderen. Man mag sie tadeln
in ihrer Üppigkeit, ihrem samtigen Zungenschlag, ihrem Aufweichen
der Linien, ihrem burgunderfarbenen Kolorit, ihrem instrumentalen
Luxus.
Dennoch steht fest: In dieser Form hat das Werk die Welt wie im Sturm
genommen, seit Diaghilew es 1908 mit Schaljapin in der Titelpartie
den überwältigten Franzosen in der Pariser Oper vorführte,
und am bühnenwirksamsten ist diese Fassung, allem besserwisserischem
Einspruch zum Trotz, noch immer geblieben.
Jedem seinen "Boris". Die Auswahl ist groß. Nur noch
Verdis "Don Carlos" kann sich in dieser Hinsicht mit "Boris
Godunov" messen. Noch immer gibt es viele Möglichkeiten
sich "Boris" zu nähern:
Aufrecht wie Rimski-Korsakow aus eigener kompositorischer Größe
- oder auf den Knien der Musikwissenschaft.
Wem Mussorgski wohl dankbar wäre? Darauf würde nicht einmal
die Musikwissenschaft wetten wollen.
Klaus Geitel
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